Der Scharfrichter (der mit der Schärfe seines Schwertes oder Beiles Richtende) war seit dem Mittelalter für die Vollstreckung der Todesstrafe zuständig. Er wurde auch als Nachrichter, Meister Hans, Carnifex oder Blutvogt bezeichnet. Berufsmäßige Scharfrichter gab es vermutlich seit dem 13. Jahrhundert. Zu ihren Aufgaben gehörten Hinrichtungen durch Rädern, Köpfen oder Hängen, aber auch die Durchführung von Folterungen und der Vollzug von Leibes- und Ehrenstrafen.
Das Rädern war eine der grauenvollsten Hinrichtungsarten, wie ein kleiner Auszug aus der Schönen Witwe belegt: „Am schlimmsten ist das Rädern, da werden dir bei vollem Bewusstsein die Knochen gebrochen. Zuerst die Beine, dann kommen die Arme dran. Deinen Körper lassen sie in Ruhe, damit du nicht zu rasch krepierst. Wenn du zwischendurch vor lauter Schmerzen die Besinnung verlierst, schütten sie dir einen Eimer Wasser ins Gesicht, der dich wieder munter macht. Am Ende bist du bereits halbtot, wenn sie deine zertrümmerten Gliedmaßen um die Speichen flechten. Das Rad wird an einem langen Pfahl befestigt und zur Abschreckung weithin sichtbar aufgestellt. Den Rest besorgen die Raben und das Wetter. Ein elender Tod. Dagegen ist das Abschlagen des Kopfes so langweilig wie der sonntägliche Kirchgang.“
Das Gewerbe des Scharfrichters galt als unehrenhaft, und er stand somit ebenso wie Gefängniswärter, Freudenmädchen oder fahrende Spielleute am Rande der Gesellschaft. So musste er eine besondere Kleidung tragen und es war ihm verboten, innerhalb der Stadt zu wohnen. Beim Besuch des Wirtshauses musste er getrennt von den anderen Gästen an einem nur für ihn vorgesehen Tisch sitzen und aus seinem eigenen Becher trinken. Seinen Kindern war es nicht möglich, ein ehrenhaftes Gewerbe zu erlernen. So heirateten sie meist die Nachkommen anderer Scharfrichtersippen. Eine bekannte Scharfrichterdynastie im Südwesten Deutschlands war die Familie Nagel. Dieser Sippe habe ich den Nachnamen Rudolfs aus meinen Romanen entnommen.
Aufgrund ihrer Tätigkeit konnten sich die Scharfrichter umfangreiche Kenntnisse über die menschliche Anatomie aneignen. Obwohl in weiten Teilen der Bevölkerung geächtet, wurden sie daher vielfach aufgesucht, wenn es galt, Knochenbrüche zu richten oder bei sonstigen Krankheiten Hilfe zu erhalten. Sicherlich umgab so manchen Scharfrichter im Mittelalter eine geheimnisvolle Aura.
Noch weit weniger angesehen als der Scharfrichter war der Wasenmeister. Seine Hauptaufgabe bestand in der Beseitigung und Verwertung von Tierkadavern. Aufgrund der Geruchsbelästigung durch verwesendes und abgehäutetes Vieh musste auch er außerhalb der Stadt wohnen. Andere Bezeichnungen für den Wasenmeister sind Abdecker, Freiknecht oder Schinder. Einer der berühmtesten Nachkommen eines Schinders war der Schinderhannes, der deutsche Räuber schlechthin, der allerdings einige Jahrhunderte später gelebt hat.
Das Gewerbe des Scharfrichters

