
Sie gilt auch heute noch als eine der bedeutendsten Frauen des Mittelalters. Die Rede ist von Hildegard von Bingen, die vermutlich von 1098 – 1179 gelebt und sich auf vielen Gebieten einen Namen gemacht hat. Sie war Predigerin, Dichterin, Komponistin und eine der ersten Frauen, die sich mit Heilkunde beschäftigte. Sie hat zwar nie einen Fuß nach Birkenfeld gesetzt, wurde aber vermutlich in Niederhosenbach bei Herrstein geboren, was nicht weit entfernt liegt.
Bereits im Alter von zehn Jahren wurde sie als zehntes Kind ihrer Eltern eine Braut Christi, wie man früher sagte. Sie trat in das Kloster Disibodenberg nahe bei Odernheim am Glan ein und verbrachte dort ihre ersten Jahre als Dienerin Gottes. Ihre Lehrmeisterin war Jutta von Sponheim, die demselben Geschlecht entstammte wie Graf Johann III. von Sponheim, der zur Zeit meiner Romane über Birkenfeld herrschte. Nach Jahren verließ Hildegard den Disibodenberg und siedelte nach Bingen über, wo sie ihr eigenes Koster gründete und diesem als Äbtissin bis zu ihrem Tod vorstand. Ein weiteres Kloster entstand auf der anderen Rheinseite in Rüdesheim.
Man könnte Hildegard als Universalgelehrte bezeichnen, weil sie in vielen Bereichen kundig war. 2010 wurde sie vom deutschen Papst Benedikt heiliggesprochen. Obwohl Zeit ihres Lebens von kränklicher Natur, wurde sie über 80 Jahre alt; für die damaligen Verhältnisse des hohen Mittelalters eine Seltenheit. Hildegard von Bingen ist auch heute noch in aller Munde. 2017 wurde ein Pilgerwanderweg eröffnet, der über 137 km von Idar-Oberstein nach Bingen führt.
In Verbrennt die Hexe spielt sie zwar keine aktive Rolle (sie war bereits seit mehr als 200 Jahren tot) findet jedoch in einer Unterhaltung über die Anwendung von Kräutern Erwähnung.
Reglind nickte. »Ich habe sämtliche Bücher über Pflanzen, Kräuter und Heilkunst, die sich in unserer Bibliothek befanden, mehr als einmal gelesen. Hast du je von einer Nonne gehört, die den Namen Hildegard trug?«
Anne-Marie überlegte kurz, schüttelte aber dann den Kopf. Sie hatte bisher nur eine Nonne kennengelernt, und das war Elisabeth von Ehrenberg, die Priorin des Klosters Maria Engelport.
»Diese Hildegard lebte vor mehr als zweihundert Jahren«, erklärte Reglind. »Sie war eine einzigartige Frau, denn sie berichtete von übernatürlichen Erscheinungen, die ihr der Allmächtige bereits in jungen Jahren zuteilwerden ließ. Mehrere Schriften aus ganz unterschiedlichen Wissensgebieten stammen aus ihrer Feder. Sie pflegte Kontakte in die höchsten Kreise von Kirche und Politik. Viele hohe Herren jener Zeit waren sich nicht zu schade, Rat bei ihr, einer Frau, zu suchen. Es heißt, sogar der Kaiser und der Papst hätten sie vor wichtigen Entscheidungen nach ihrer Meinung gefragt. In Bingen am Rhein gründete sie zwei Klöster. Einem stand sie als Äbtissin bis zum Ende ihres Lebens vor, das über achtzig Jahre währte.«
»Wirklich bemerkenswert«, stimmte Anne-Marie zu. »Diese Frau hätte ich gerne kennengelernt.«
»Wir waren ganz stolz auf die beiden Werke, die wir in unserer Klosterbibliothek verwahren durften. Der Mönch, der die Abschriften in jahrelanger Arbeit erstellt hatte, war gewiss ein begnadeter Künstler. Die Einbände bestanden aus feinstem Kalbsleder, und die verschnörkelten Lettern zu Beginn jedes Absatzes waren in goldener Farbe gehalten. Beide Bücher bestachen durch wunderschöne Illustrationen von Pflanzen und Tieren. ›Physica‹ und ›Causae et Curae‹, so hießen sie. Darin beschrieb Hildegard sehr ausführlich alle möglichen Krankheiten und die Wirksamkeit natürlicher Heilmittel. So benutzte sie etwa Galgant täglich wegen seiner durchblutungsfördernden Wirkung.«