Im Mittelalter konnte schon eine kleine Infektion das Todesurteil bedeuten. Suchen die Menschen heute im Falle eines vorhandenen Unwohlseins einen Arzt auf, war dies im Mittelalter lange überhaupt nicht, später nur privilegierten Menschen möglich.

Die medizinische Betreuung der normalen Bevölkerung im Mittelalter wurde zunächst von Barbieren und Badern übernommen. Sie widmeten sich der Wundpflege, aber auch dem Einrichten von Knochenbrüchen oder dem Zahnziehen. Angehörige beider Berufsgruppen gehörten, wie der Scharfrichter und der Wasenmeister, zu den unehrenhaften Leuten, mit denen normalerweise niemand etwas zu tun haben wollte.

Aus ihnen entwickelten sich im Lauf der Zeit die angeseheneren Chirurgen (Chirurgus, Wundarzt), die streng zu unterscheiden waren von den studierten Ärzten (Medicus). Diese, zunächst meist Mönche, waren für die inneren Krankheiten zuständig. Sie durften keine offenen Wunden behandeln, keine Operationen durchführen und generell nicht mit Blut in Berührung kommen, weil die Kirche dies bei Strafe verbot. Die Trennung beider Berufsgruppen ist bis heute geblieben. Die erste medizinische Universität entstand in Salerno in Italien, die erste deutsche Universität in Prag, das damals noch zum Deutschen Reich gehörte.

Daneben sind noch die Hebammen zu nennen, die für die Geburtshilfe zuständig waren. Von großer Bedeutung, vor allem für die arme und ländliche Bevölkerung, waren die Kräuterfrauen. Sie wurden häufig bei Frauenleiden und bei Fragen der weiblichen Fruchtbarkeit zu Rate gezogen, hatten aber auch für viele andere Krankheiten heilende Kräuter und Salben zur Verfügung. Häufig wurden sie als Hexen verschrien, und nicht wenige von ihnen besiegelten ihr Ende auf dem Scheiterhaufen.

Auszug aus der Schönen Witwe: Rudolf dachte an die alte Kräuterfrau, die ganz in der Nähe in einer kleinen Hütte am Waldrand wohnte. Vor Jahren hatten sie aufgebrachte Leute aus einem nahegelegenen Dorf davongejagt, weil man sie der Hexerei bezichtigte. Rudolf hielt das für Unsinn. Auch Christine hatte nach einigem Zögern Vertrauen zu der kauzigen Alten gefunden und sie in ihr Herz geschlossen. Das Kräuterweib war in vielen Dingen der Medizin kundig und nicht wenige Frauen suchten sie auf, wenn sie die unreinen Tage plagten. Die Heymbacherin galt außerdem als zuverlässige Ratgeberin für den besten Zeitpunkt der körperlichen Vereinigung zweier Ehegatten, sollte diese Früchte tragen. Sie verfügte über erprobte Mittelchen, die bereits bei Abraham und Maria geholfen hatten. Rudolf empfand Mitleid mit den bedauernswerten Frauen, die stundenlang Gebete herunterleierten oder gar eine Wallfahrt auf sich nahmen, wenn sich der ersehnte Sprössling nicht einstellen wollte. Da glaubte er doch eher an die Alte mit ihren Ratschlägen und Kräutern.

Tödliche Krankheiten waren im Mittelalter ständige Begleiter der Menschen. Hervorgerufen wurden diese meist durch die unzureichenden hygienischen Zustände. In den Straßen und Gassen stapelten sich Müll und Fäkalien, in den Häusern lebten Menschen und Tiere teilweise unter einem Dach. Seuchen rotteten ganze Dörfer und Landstriche aus. Der Ausbruch der Pest im 14. Jahrhundert kostete 25 Millionen Menschen das Leben, was ungefähr einem Viertel der damaligen Bevölkerung entsprach.

Gefürchtet war das Antoniusfeuer, das auch Heiliges Feuer genannt wurde. Zunächst dachte man, es handele sich um eine Infektionskrankheit. Erst sehr viel später hat man herausgefunden, dass es sich um eine Pilzvergiftung handelte, die durch den Verzehr von verdorbenem Getreide hervorgerufen wurde. Weitere oft tödliche Seuchen waren die Tuberkulose (Schwindsucht) und die Lepra (Aussatz).

Im Durchschnitt wurden die Menschen im Mittelalter nur ungefähr 30 – 40 Jahre alt. Die Zeit war geprägt von einer hohen Kindersterblichkeit und die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen taten ein Übriges. Es gab aber auch Ausnahmen: Die heilige Hildegard von Bingen, die im Hochmittelalter lebte, wurde über 80 Jahre alt.

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